Bundeswehr in der Zeitenwende: Können wir Krieg? | DokThema | Doku | BR

Published 2023-05-26
Dieser Beitrag aus der TV-Sendung "DokThema" befasst sich mit dem Zustand der Bundeswehr.
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Wie weit sind die deutschen Streitkräfte nach gut einem Jahr Zeitenwende gekommen? Wie kriegstauglich ist die Bundeswehr heute? Der Filmautor Florian Huber beleuchtet diese Frage aus drei Perspektiven: der Ausrüstung, der Verbündeten und der deutschen Politiker und Politikerinnen.

TV-Ausstrahlung vom 24.5.2023

182.000 Männer und Frauen dienen in der Bundeswehr. Sie gelten als sehr gut ausgebildet und hoch motiviert. Doch auch die beste Armee ist nur so gut wie ihre Ausrüstung. Die Bundeswehr steckt in einer beispiellosen Materialmisere: von allem zu wenig, zu alt, zu spät, so beklagen es die Wehrbeauftragten seit Jahrzehnten.Wie drastisch das den Soldatenalltag bestimmt, zeigt sich bei der Instandsetzungskompanie der Clausewitz-Kaserne in der Nähe von Magdeburg. Dort werden jährlich hunderte Bundeswehrfahrzeuge gewartet und repariert. Doch vor Ort lagern fast gar keine Ersatzteile. Jedes Schräubchen muss bestellt und individuell von der Industrie gefertigt werden. Gerade bei komplexen Waffensystemen dauert es Wochen und Monate, bis die Ersatzteile vorliegen. Die Geräte können in der Zwischenzeit nicht eingesetzt werden.

Die Notlösung: borgen, leihen, verschieben. In der "Battlegroup“ an der NATO-Ostflanke in Litauen ist das der Normalzustand. In diesem Verband mit 1.700 Männern und Frauen aus sechs Nationen hat Deutschland das Kommando. Um die Truppe auszustatten, muss die Bundeswehr Material aus verschiedenen deutschen Standorten zusammenkratzen. Die Bündnispartner loben die Zusammenarbeit in der "Battlegroup“ – doch die Rüstungsdefizite und mangelnde Einsatzfähigkeit kritisieren sie scharf. Allen voran die USA werfen den Deutschen vor, ihre Versprechen an die NATO nicht zu erfüllen. Und speziell die Verbündeten aus den baltischen Ländern haben große Zweifel, ob die Deutschen im Ernstfall für sie in den Krieg ziehen würden. Schuld daran seien jedoch nicht die Soldaten, sondern die Politiker in Berlin – "die Anzugträger, nicht die Uniformträger“, wie es US-General Ben Hodges formuliert.

Seit der Wiedervereinigung herrschte in der deutschen Politik ein trügerisches Gefühl ewigen Friedens. Die meisten Politikerinnen und Politiker gehen in diesen Jahren auf Distanz zur Bundeswehr. Sie schließen Kasernen, verschrotten Kriegsgerät, verkleinern die Armee. Deutschland macht es sich als "Friedensmacht“ bequem. Mit dem schrecklichen Erwachen nach Ausbruch des Ukrainekriegs müssen dieselben Politiker nun dafür sorgen, dass die Bundeswehr wieder ihre Hauptaufgabe erfüllen kann: dem Schutz von Land und Bündnis, über die Zeitenwende hinaus.

Für diesen Film sind alle wichtigen Protagonistinnen und Protagonisten der militärischen Zeitenwende vor die Kamera getreten: der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius und seine Vorgänger Christine Lambrecht und Thomas de Maizière; die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann; der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn; der Kommandeur der Battlegroup in Litauen Marco Maulbecker; Lettlands Verteidigungsminister Artis Pabriks und der frühere Chef der US Army in Europa Ben Hodges sowie natürlich eine Reihe aktiver und ehemaliger Bundeswehrsoldaten.

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All Comments (21)
  • Hinweis der Redaktion Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs im Februar 2022 hielt Bundeskanzler Scholz seine "Zeitenwende-Rede“, in der er darauf abhob, die Bundeswehr für künftige militärische Bedrohungen einsatzfähig zu machen. Bald darauf hat das Parlament das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr verabschiedet. Unser Film stellt die Frage, wie weit die deutschen Streitkräfte und die für sie verantwortlichen Politiker ein Jahr nach der Ankündigung von Kanzler Scholz dabei voran gekommen sind, ihr Vorhaben umzusetzen. Das ist keine Propaganda oder Kriegstreiberei, sondern eine klassische journalistische Fragestellung. Diese Fragestellung kommt zugespitzt in dem Titel "Können wir Krieg?“ zum Ausdruck: Kann sich Deutschland verteidigen, wenn es mit Waffengewalt angegriffen wird? Wiederum ist das keine manipulative Kriegspropaganda, sondern entspricht schlicht dem Auftrag, den das Grundgesetzes an die deutschen Streitkräfte stellt. Ob man das befürwortet oder nicht. Dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz Beschaffungsamt, widmet der Film sich ausführlich mit der Fragestellung, warum es nicht effizienter arbeitet. Was die ausgewählten Interviewpartner angeht, so sind das jene Personen, die für den (in der Tat desaströsen) Zustand des Militärs in Deutschland maßgeblich verantwortlich sind: Minister, Militärs und Sicherheitspolitiker. Sachverständige kritische Stimmen gibt es in unserem Film übrigens durchaus, z.B. die von Oppositionspolitikern, NATO-Bündnispartnern oder externen Sicherheitsexperten.
  • @bawi6221
    Wir müssen nicht Krieg können...wir müssen Verteidigung können.... Grüße eines Soldaten
  • @einfachicke1417
    Hallo zusammen. Ich war Soldat der Bundeswehr von 1993 bis 2005, also in der Zeit über die in dieser Reportage viel gesprochen wird. Es überrascht mich das hier plötzlich so offen damit umgegangen wird. Ich kann vieles bestätigen was hier behandelt wird. So zum Beispiel der ständige Rückgang an Gelder für Übungsplatzaufenthalte, Munition, Ausrüstung usw. Es gab Zeiten wo meine Männer bei einer ganztägigen Gefechtsausbildung jeder nur 5 Patronen Manövermunition erhalten haben. Ebenso kann ich bestätigen das der Focus der Ausbildung sich im Laufe der Jahre tatsächlich mehr auf Auslandseinsätze verlagert hat. Der klassischen "Gefechtsdienst" gab es irgendwann so gut wie nicht mehr. Worüber hier jedoch leider nicht gesprochen wird: 1. Der Moralische Verfall der Truppe. Die Bundeswehr war nie eine technisch hochgerüstete Truppe wo es alles im Überfluss gab. Aber, diese Mängel wurden oftmals ausgeglichen durch eine hohe Einsatzbereitschaft der Soldaten sowie der Fähigkeit auch mit weniger auszukommen und trotzdem seinen Auftrag zu erfüllen. Ich spreche hier jedoch von den 90er Jahren und den Anfang der 2000er Jahren. Dies gibt es leider heute nicht mehr. Die Soldatinnen und Soldaten von heute sind nur noch in der Lage etwas durchzuführen wenn alles bis aufs Kleinste vorhanden ist. Und dann auch nur wenn sie Lust haben. Ich habe heute wieder Kontakt zur Bundeswehr und kann sage das die Moral der Truppe nur begrenzt vorhanden ist. Bsp.: Kurz vor einem längeren Übungsplatzaufenthalt meldete sich in einer Einheit ein großer Teil der Soldatinnen und Soldaten "krank". Ich erfuhr dies durch Gespräche mit Teileinheitsführern dieser Einheit. Heute ist "Soldat" sein nur noch ein ganz normaler "Job". In meinen Augen für ein Militär der falsche Ansatz. Ich habe jede Menge Beispiele mehr. 2. Das "Blenden" von höheren Vorgesetzten. Dies gab es auch zu meiner Zeit bereits. Bsp.: Verteidigungsminister/in kommen zu Truppenbesuch und bekommen nur handverlesene Soldaten und Soldatinnen präsentiert bei denen vorher klar geregelt wurde was sie sagen dürfen oder welche Fragen sie stellen dürfen. Nur das Beste wurde präsentiert. Somit wurde also den Vorgesetzten auch nie aufgezeigt welche Missstände es gibt. Denn der Nachteil einer Berufsarmee ist das jeder Angst um seine Karriere hat und somit nicht negativ auffallen möchte. Disziplinarvorgesetzte sehen oftmals vom ahnden von Vergehen einzelner Soldatinnen und Soldaten ab aus eben genannten Grund. Somit können sich diese dann so das eine oder andere erlauben. Es gibt noch so viel mehr wie das Auslagern von militärischen Belangen an zivile Stellen welche sich negativ ausgewirkt haben und die nur dazu da waren um der Bevölkerung zu zeigen das gespart wurde. Diese werden auch aus dem Verteidigungshaushalt bezahlt. Es stellt sich jedoch heraus das dies teilweise um ein vielfaches teurer ist als vorher. Aber man hat ja Arbeitsplätze damit geschaffen. Wie gesagt es gibt noch vieles mehr aber das soll erstmal reichen.
  • @MarcSander
    In zukünftigen Geschichtsbüchern wird zu lesen sein das eine der fortschrittlichsten Industrienationen unserer Zeit an einem einfachen Kompetenzdefizit zugrunde gegangen ist.
  • @twoone21
    Es ist doch mehr als beruhigend zu wissen, dass wir im Ernstfall ganze drei Tage durchhalten können;-)
  • @jones18269
    10.000 Beamte in Beschaffungsamt, für 180.000 Soldaten, spot the mistake.
  • Beim Schwätzer de Mazaire musste ich abschalten. Der hat doch mit Mutti alles mitgetragen, unfassbar.
  • Die Frage ''Können wir Krieg ?'' Ich will es mal so ausdrücken. Im Kriegsfall gegen Lichtenstein, könnten wir eventuell einen Militärischen Patt erringen. Bei Jedem anderen Land wir es schwierig 🤣😂
  • @sontyp8271
    Interessant, dass sich Frau Strack-Zimmermann anmaßt etwas über Wehrgerechtigkeit zu sagen mit dem Beispiel, dass nur noch 10 % der jungen Männer eingezogen wurden während sie als Frau einer Bevölkerungsgruppe angehört von denen seit es die Bundeswehr gibt ganze 0 % im wehrfähigen Alter eingezogen wurden. Respekt.
  • Da tut einem das Herz weh wenn man sieht was sie aus unserer Armee gemacht haben
  • Ich muss ehrlicherweise sagen als ich den Titel "Können wir Krieg" gelesen habe, war ich erst misstrauisch ob es sich hierbei schon wieder um einer "übermoralisierende" Dokumentation handelt. Ich bin positiv überrascht. Sehr sachlich, objektiv und den Nagel auf den Kopf getroffen hat.
  • @Unverbindlich
    Obwohl ich Koreaner bin,habe ich Deutsche Soldaten vor Respekt und ich liebe wirklich Ihre Technologie und Bundeswehr. Sie haben zwar NATO,aber sie müssen selbstsändnis stark Kraft haben. neben Korea gibt es Japan aber wir vertrauen nicht alles. Deutschland haben wirklich stärke Bewaffnung ABER es ist ungenügend. ich hoffe,dass Sie mehr gute Situation haben können. Ich kann nicht gut Deutsch schreiben, tut mir leid.
  • Donnerwetter, so eine kritische Reportage hätte ich ehrlich gesagt dem BR nicht zu getraut. Gut gemacht! Ich empfehle unseren Damen und Herren in Berlin, sich diese Reportage mehrfach anzusehen und JETZT endlich mal zügig und pragmatisch zu handeln. ... Ein Panzer braucht keinen Blinker!
  • @CG_68
    Extrem guter Beitrag, der die Situation größtenteils auch so wiedergibt, wie ich als Soldat sie erlebe. Chapeau!
  • @Jim-i1z
    Schade, dass immer erst was passieren muss,damit man was macht
  • @dead69816
    Ich finde es traurig, dass Deutschland Waffen und Maschinen andren Ländern schenkt, aber Deutschland selber im Ernstfall nicht mal 30tage verteidigen könnte.
  • @grimes797
    Es kommt nicht nur auf die Ausrüstung an. Wenn aber soviel wie im Moment zusammen kommt, Mangelwitschaft, überbordende Bürokratie, keine Bereitschaft von Vorgesetzten Verantwortung zu übernehmen, das Zwangskorsett der Vorschriften, einer desinteressierten Politik und Bevölkerung. Das schafft keine Truppe und kein noch so motivieter Soldat.
  • @JaNee-cf7bn
    Das man zum Schluss einer Reportage der Öffentlichkeit Rechtlichen tatsächlich einen Hauch von Patriotismus verspürt... Zeitenwende kommt dann doch langsam...
  • @mr2187
    Ich muss schon sagen: Das ist echt ne gute Doku.
  • Entmilitarisierung ist genauso, also würde man den Blitzableiter des Hauses entfernen, weil ja sowieso kein Blitz einschlägt. Bis man dann eines Besseren belehrt wird und dann ist das Geheule groß..