Russlanddeutsche, die AfD und ich | Doku | NDR Story

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Published 2024-05-06
Russlanddeutsche sind die größte Minderheit mit Stimmrecht in Deutschland. Wie tickt die Community wirklich - auch politisch?
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Die russlanddeutsche Community stellt in der Gesellschaft die größte Minderheit mit Stimmrecht dar. Doch Versuche, differenziert über sie zu berichten, scheiterten bisher viel zu oft an gängigen Stereotypen. Kurz vor der Europawahl im Juni 2024 will dieser Film das ändern.

Mit persönlichem Zugang und auf der Suche nach Antworten begibt sich eine Reporterin mit russlanddeutschen Wurzeln auf eine Reise durchs Land und scheut dabei auch nicht vor unbequemen Fragen zurück.

Darstellung von Russlanddeutschen oft negativ

Als Kind russlanddeutscher Aussiedler ist Kyra Funk als erste Generation ihrer Familie in Deutschland geboren. Mit diesem Film nimmt sie den Zuschauerinnen und Zuschauer mit in eine Community, die skeptisch gegenüber Medienberichten ist. Verständlich: Stigmata verzerren die Darstellung der Gruppe in der Öffentlichkeit.

Dabei ist die Geschichte der Russlanddeutschen ein Paradebeispiel für gelungene Integration. Doch stattdessen wird bei den Deutschen aus Russland beziehungsweise den ehemaligen Sowjetstaaten häufig als "Putin-Versteher" und "AfD-Wähler" gesprochen. Und von den "Hiesigen", wie Russlanddeutsche die einheimischen Deutschen nennen, werden sie fälschlicherweise oftmals bis heute für Russen gehalten.

Die AfD buhlt um die Stimmen von Russlanddeutschen

Was macht es mit einer Community, die jahrzehntelang öffentlich verkannt wurde? Und welchen Boden liefert dies wiederum für rechte Propaganda? Reporterin Kyra Funk will es genauer wissen. Bei ihren Recherchen stellt sie fest: Die AfD hat das große Wählerpotenzial der Gruppe längst erkannt und buhlt als einzige Partei gezielt um ihre Stimmen. Mit wachsendem Erfolg.

Der Migrationsforscher Jannis Panagiotidis sagt im Gespräch mit Kyra Funk klar und deutlich, dass die Mehrheit der Russlanddeutschen die AfD zwar nicht wähle, der Zuspruch in dieser Bevölkerungsgruppe jedoch "überdurchschnittlich stark" sei. Es sei wichtig, dass die Community sich mit der Thematik auseinandersetze, denn sie habe das Potenzial, sie zu spalten.

Wie ist die politische Stimmung in der Community?

Für diesen Film will die Journalistin herausfinden, wie die politische Stimmung innerhalb der eigentlich so unauffälligen Community wirklich ist. Ob in der Werkstatt von Kfz-Meister Waldemar Schneider oder beim Secondhandshoppen mit der Autorin Elina Penner: Die Reporterin ergründet verletzte Gefühle, hört zu und diskutiert. Es geht um Sorgen, Vertrauensverlust und konservative christliche Werte.

Am Ende konfrontiert Kyra Funk Olga Petersen, AfD-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft, die zu der Gruppe "Russlanddeutsche für die AfD" gehört, mit den Aussagen ihrer Gesprächspartner*innen. Nicht zuletzt analysiert der Film, mit welchen Strategien die AfD systematisch versucht, die Gruppe der Russlanddeutschen zu vereinnahmen.

Von der Migrationsgeschichte der Russlanddeutschen lernen

Die Produktion ist ein Versuch, den Menschen dieser sehr diversen Bevölkerungsgruppe eine Stimme zu geben und gleichzeitig Themen anzusprechen, die aufgrund des hohen Konfliktpotenzials gern unter den Teppich gekehrt werden.

Fest steht: Das Narrativ des russlanddeutschen AfD-Wählers ist eines, das vor allem der AfD nützt. Die deutsche Öffentlichkeit kann viel von der Migrationsgeschichte der Russlanddeutschen lernen. Auch für aktuelle und kommende Integrationspolitik.

BILD: NDR/Studio Fritz Gnad

LINKS zum Thema Wahlen:

Studie zum Wahlverhalten der Russlanddeutschen bei den Bundestagswahlen 2017 (IMGES) www.researchgate.net/publication/326463285_Immigra…

Generell Infos zur Immigrant German Election Study: www.uni-due.de/imges/

Studie zum Wahlverhalten der Russlanddeutschen bei der Bundestagswahl 2021: www.dezim-institut.de/projekte/projekt-detail/immi…

Studie zur Wahlabsicht (nicht online verfügbar)_”Alternative für Russlanddeutschland”? Russlanddeutsche SpätaussiedlerInnen und die AfD (Peter Dorschler und Jannis Panagiotidis 2022) Datengrundlage: ALLBUS & Daten aus 23 Städten zur Bundestagswahl 2017 und den Landtagswahlen der Jahre 2016 bis 2020.

Link zur Studie, die unsere Autorin während des Interviews mit Olga Petersen zitiert - “Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten leiden”: www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/forsch…

Homepage zur Sendung:
www.ndr.de/ndrstory

#Aussiedler #Spätaussiedler #Wahlen

All Comments (21)
  • @NDRDoku
    Hallo zusammen, wir freuen uns über alle Menschen, die hier fair und mit einem Mindestmaß an Respekt kommentieren - unseren Protagonist*innen, aber auch unserer Autorin sowie den anderen User*innen gegenüber; und uns gegenüber wäre das natürlich auch schön. Wir behalten uns - wie immer - vor, Beleidigungen, Verleumdungen, rassistische oder sexistische Äußerungen sowie Propaganda zu verbergen. Wer das genauer nachlesen will, findet hier die Kommentarrichtlinien des NDR, die für unsere Auftritte auf allen Drittplattformen gelten. www.ndr.de/service/technische_hilfe/Die-Kommentarr… Wer sachlich kommentiert, ist herzlich eingeladen, Fragen zu stellen und auch kritische Rückmeldung zur Doku zu geben. Viele Grüße Das Team der NDR Story
  • @marewnaja
    Ich bin Risslanddeutsche, seit 33 Jahren in D. Hab hier Abitur gemacht, studiert, arbeite bei einer Behörde. Die allermeisten Russlanddeutschen in meinem Umkreis haben eine Ausbildung gemacht oder stdiert, haben Arbeit bzw sind selbständig. Sie legen viel Wert auf gute Bildung, Anstand, Familie und christliche Werte. Es wurde aber in den 90ern viel falsch gemacht. Berufs-und Hochschulabschlüsse wurden nicht anerkannt. Und es wurde nichteinmal versucht, eine Ausbildung im gleichwertigen Beruf zu fördern od entsprechende Weiterbildungskurse anzubieten. So sind viele Diplom- Ingenieure, Chemiker, Lehrer, Ärzte zu Taxifahrern, Putzfrauen und Altenpflegern geworden. Das nimmt einem gestandenen Menschen viel von seiner Würde. Deswegen fühlen sich viele nicht so angenommen, nicht respektiert von den einheimischen Deutschen.
  • @hansjochenvo6094
    Unsere Deutschen aus Russland sind keine Migranten sondern unsere Landsleute, die zu uns zurück in die Heimat gekommen sind. Wir Einheimischen freuen uns, dass sie zurück gekommen sind. Herzlich willkommen.
  • @NoName-kr5zj
    Ich bin selbst Russlanddeutscher und muss sagen, dass diese Doku schonwieder spaltet. Es ist jedem klar welche Position die Journalistin hat. Eine Journalistin sollte objektiv und ohne eigene Meinung beide Positionen beleuchten. Die Doku zeigt aber erneut wer viele "unangenehmen" Fragen bekommt und wer hier die "Normalen/Guten" sind. Auch bei dem Fußballteam fühle ich mich in meine Lage versetzt. Wir glauben nicht, dass wir frei unsere Meinung äußern können. Es wirkt so, sobald man eine Position einnimmt wird man unangenehmen Fragen attakiert und als Querdenker oder Rechts abgestempelt! Ich weiß wie viele Leute ticken und denken und merke, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen sich "verfolgt" fühlen und ihre Meinung definitiv nicht frei äußern! Erst wenn dieser Respekt gegenüber Andersdenkender zurückkehrt haben wir wieder ein freies System/Demokratie mit einer freien Meinungsäußerung. Aktuell bist du gut oder böse wenn du diese oder die andere Position/Meinung vertrittst.
  • Ich ziehe meinen Hut vor den Rußlanddeutschen. Was für feine Menschen und sehr fleißig. Es ist eine Bereicherung für unser Land.
  • @Dakotamoon666
    Nichts gegen Russlanddeutsche habe bisher nur positive Erfahrungen gemacht.
  • @ichich3532
    "Aus Sascha wurde Alexander..." jetzt wirklich? Im Russischen gibt es keinen eigenständigen Namen Sascha. Sascha ist ein Kosename für Alexandr.
  • Ich habe viele Kollegen,, Deutsche aus Russland"das sind meine liebsten Arbeitskollegen und Freunde 👍👌alle super fleißig, hilfsbereit und gebildet....
  • @heidistumpf6709
    Ich habe viele Russlanddeusche betreut.....ganz,ganz liebe und sehr,sehr fleißige Menschen sehr dankbar.Wir können froh sein dass wir all diese lueben Menschen hier hatten.❤❤❤
  • @YelenaMaria
    Ich kenne Rußlanddeutsche als fleißige, gut integrierte und gesetzestreue Menschen!!! Ein gigantischer Unterschied zur Zuwanderung der letzten 20 Jahre, vor allem seit 2015!
  • @rusbar1615
    Meiner Meinung nach ,der Bericht ist gar nicht so neutral wie man ihn darstellen möchte
  • @Cema1986
    Onkel Peter ist viel sympathischer, offener und bodenständiger, als die Reporterin, die krampfhaft versucht, sich ach so neutral darzustellen. Aber das kennt man ja. Hab in mehreren Fernsehprojekten mitmachen dürfen. ZDF "mein Land dein Land" war dabei das beste Beispiel für den neuen deutschen "Journalismus"
  • @derspuk3525
    Ich komme aus Osnabrück und kenne viele "Russlanddeutsche" in meiner Umgebung und lasse nichts auf sie kommen. Wir mussten diese Menschen nicht intregieren das haben sie selber getan. Ich höre mir auch gerne deren Geschichten aus ihrer alten Heimat an weil es interessant ist weil meine Vorfahren ähnliche Geschichten zu erzählen haben,sie kamen einst aus Schlesien.
  • @hermannp.9366
    Ist das jetzt eine Sendung über Russlanddeutsche oder gegen die AfD😢
  • @l.65
    Ich bin 1995 gekommen. Neun Monate und einen Sprachkurs später habe ich ein Praktikum zur Anerkennung meiner Ausbildung als Krankenschwester angefangen. Alle waren nett zu mir, nur außer Waschen und Bettenmachen durfte ich nix. Nach 3 Monaten hat die Oberschwester bei einem Gespräch bei der Pflegeleitung zu mir gesagt, dass ich soll mehr tun als Betten schieben, dabei mir in die Augen schauend. Sie selbst war es, die mich 3 Monate lang dazu abkomandiert hat. Ich habe versucht der Pflegeleitung zu erklären, was da schief lief und wurde auf eine andere Station versetzt. Die dort haben mich mehr akzeptiert und ich hatte nach noch 3 Monaten meine Anerkennung bekommen. Ich habe angefangen danach zu arbeiten, das war ein Krankenhaus von der Diakonie und die Pflegeleitung waren die Nonnen. Erst war alles gut. Nach einem Monat ist meine Oberschwester in den 6 -wochigen Urlaub in die Schweiz gegangen und dann ging es los. Man hat mich regelrecht gemobbt, nur wusste ich damals nicht, dass es so heißt. Ich wurde für meine Sprachfehler ins Gesicht ausgelacht. Dabei waren es keine richtigen Fehler, sondern wurden meine Worte verdreht. Zum Beispiel habe ich einen männlichen Kollegen gefragt, was er vorhat, gemeint habe ich, was wollte er gerade bei den Patienten machen. Die haben nicht aufgehört zu lachen, ich habe null Ahnung gehabt warum. Die meinten, ich wollte ihn einladen oder so. So ging es die ganze Zeit. Die waren betont nett zu Kollegin, die als Flüchtling aus Bosnien war. Gedreht zu mir waren die gleich betont kalt und distanziert. Eine türkische Kollegin hat mich über mein Status in Deutschland befragt, die anderen haben aufmerksam zugehört. Ich habe gelogen, damit die Türkin nicht neidisch wird, denn die konnte damals den deutschen Pass nicht bekommen ohne den türkischen abzugeben. Ich musste immer zu Klingel gehen, weil die anderen nicht aufgestanden sind. Die haben das Essen von der Patienten gegessen, während ich mit den Schülern das Mittagessen verteilt habe. Die haben mich nicht zu Visite und PC zugelassen. Damals war die Pflege anders organisiert, nicht nach dem Bereich, wie jetzt, und eine Schwester war zuständig für den PC und Visite mit den Ärzten, das haben die abwechselnd gemacht, mich aber immer zum Waschen und Essen verteilen geschickt. Nach 3 Monaten gab es ein Gespräch bei der Leitung, wo die ganz umgekehrt behauptet haben, dass die das Essen verteilt haben und ich gegessen. 🤦‍♀️Die Oberschwester * die Nonne) war aus dem Urlaub zurück und die mussten mir erlauben am PC zu arbeiten und die Visite begleitet. Die Nonne hat mich nach noch einem Monat zur Seite genommen und gesagt, die hätte mich behalten, aber zwei anderen Schwestern würden kündigen, wenn ich bleibe, und sie hoffe, es ist nicht wegen Ausländefeindlichkeit diese Einstellung der Schwestern. Nebenbei gesagt, eine hat nachher trotzdem gekündigt, obwohl ich gegangen bin. Die hieß Carola und wollte eine Weltreise machen. Die zweite, glaube Anja, war St. Pauli Fan, auf die Frage warum nicht HSV sagte, die sind Nazis. Dabei war sie besonders fleißig mich zu mobben. Bestimmt aus persönlichen Gründen, nicht wegen meiner Herkunft. Den Widerspruch hat sie nicht bemerkt, nicht nazi sein, aber die aus dem anderen Land fertig machen. Ich denke, es war wegen ihren Opas, die bestimmt von den Russen auf die Mütze bekommen haben. Was wollten die Opas in UdSSR mit ihren ganzen Panzern, frage für einen Freund? Später habe ich noch unfreundliche Kollegen getroffen. Jetzt freue ich mich, dass es kaum noch Deutsche in der Pflege arbeiten. So ist das Klima viel besser und keiner läuft mit Nase hoch und belehrt die anderen
  • @norbertkranz6685
    Wenn ich schon höre, "Man hat uns nicht Integriert" bekomme ich Puls ! Wenn man es nach 34 Jahren nicht geschafft hat sich zu Integrieren, der sollte den Fehler bei sich und nicht bei anderen suchen !!
  • @binchenBine
    Ich bin mit einem Russlanddeutschen verheiratet. Ich kann euch versichern, ein Mann der hier aufgewachsen ist, und also immer in Deutschland geblieben ist, hat hätte mich nie überzeugen können dies noch einmal zu tun ❤ und mein Mann ist das beste was mir in meinen späten Jahren noch passieren konnte..