Umstrittener Besuch bei Putin: Wir sollten Orban die Daumen halten

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Published 2024-07-05
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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban besucht überraschend Kriegstreiber Wladimir Putin. Die EU schäumt vor Wut. Dabei ist Orbans Mission einen Versuch wert, findet FOCUS-online-Chefkorrespondent Ulrich Reitz.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat mit seiner spontanen Reise nach Russland die Europäische Union verärgert.
Sowohl die EU als auch Bundeskanzler Olaf Scholz betonten, Orban habe kein Mandat für die Reise gehabt. Auch der ungarische Regierungschef betonte, er sei in eigener Mission unterwegs.
„Er macht nur das, was er vor zwei Jahren angekündigt hat. Damals hat Viktor Orban der Europäischen Union eine Vermittlerrolle angeboten“, sagte FOCUS-online-Chefkorrespondent Ulrich Reitz in seiner Video-Kolumne Reitz-Thema.
Ungarn stehe Russland näher als die westeuropäischen Staaten. Nach seinem großen Wahlsieg, bei dem Orban im Amt bestätigt wurde, versuche er nun, diese Vermittlerrolle auszuüben. „Wie das ausgeht, weiß kein Mensch. Aber ich muss ehrlich sagen, es ist doch mal einen Versuch wert. Weiter schießen kann man immer.“

Die Kritik der EU an Orbans Reise findet Reitz unverständlich. Zwar gehe Orban selbst nicht davon aus, dass er „den Frieden damit aus Moskau“ mitbringe. Aber ein gestandener, europäischer Regierungschef in seiner fünften Amtszeit, der in Russland auch Gehör finde, könne uns „auf dem Weg zu einem Frieden ein Stück näher bringen“.
Mit seinem Alleingang hätte Orban die EU allerdings bloßgestellt. EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen oder auch Bundeskanzler Olaf Scholz betonen immer wieder, dass man mit Putin nicht verhandeln könne. Darauf habe sich die EU auch geeinigt. „Orban fliegt jetzt hin, Putin empfängt ihn. Das ist ja jetzt erstmal ein Dementi dessen, was die Europäer behauptet haben“, so Reitz weiter.

Positiv sei auch, dass Orban die Reihenfolge eingehalten habe. Vor seiner Reise nach Russland hatte sich Orban auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen.
Auch wenn Orban als schwarzes Schaf der EU gelte und ein Rechtsstaatsverfahren gegen ihn angestrebt werde. Der ungarische Ministerpräsident verfolgt mit seiner Friedensmission einen realpolitischen Ansatz. Anders als etwa die Bundesregierung und die EU.
„Den idealpolitischen Ansatz der Bundesregierung oder von Ursula von der Leyen hat uns jedenfalls dem Frieden bisher keinen Millimeter nähergebracht.“
Zwar seien die Gespräche mit Putin bisher ergebnislos verlaufen, der russische Präsident habe stets an seinen Kriegszielen festgehalten. Dass diese für den Westen indiskutabel seien, wisse Putin selbst. „Aber unterhalb dieser Maximalforderung Versuche zu unternehmen, einem Frieden näher zu kommen, das kann ich nicht verwerflich finden.“
Reitz fordert daher: „Wir sollten Orban die Daumen halten“.